Fußball ist unser Leben:
Was Besprechungsleiter*innen von Schiedsrichtern lernen können
Egal ob Bundesliga, DFB-Pokal, Europa- oder Weltmeisterschaft. Wenn der Ball wieder rollt, sind viele in seinen Bann gezogen. Allerorts wird erwartet, dass das Runde ins Eckige kommt. Aktionen auf dem Rasen werden lautstark kommentiert. Schiedsrichter*innen-Entscheidungen bestätigt oder schon mal in Zweifel gezogen. Und das obwohl es in Deutschland bereits 1874 das erste Fußballregelwerk gab! Das von der FIFA 1938 neu gefasste Regelwerk mit 17 Spielregeln wird jährlich kontrolliert und bei Bedarf angepasst.
Wie ein roter Faden ziehen sich durch dieses Regelwerk zahlreiche Hinweise für Schiedsrichter*innen, die das Fußballspiel leiten und auf dem Spielfeld das Einhalten der Regeln sichern sollen. Genau genommen also klare Regeln, die – wenn jeder sie kennt -, theoretisch keiner Diskussion bedürften. Doch weit gefehlt! Soviel wie es Beteiligte gibt, so viele unterschiedliche Auffassungen gibt es zu persönlich Erlebtem beziehungsweise Gesehenem.
Nicht nur im Sport gibt es viele verschiedene Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache., sondern auch in unserem beruflichen Alltag. Denken wir nur an die letzte Besprechung. Der Start war für 09:00 Uhr angesetzt. Doch die letzten Teilnehmer*innnen sind erst 15 Minuten später eingetrudelt. Die vielen auf der Agenda stehenden Tagesordnungspunkte haben bereits im Vorfeld erahnen lassen, dass nicht alle Punkte in der geplanten Zeit geschafft werden können. Dazu die ungeplanten und in Teilen unnötigen Zwischendiskussionen, die ihr Übriges dazu beitragen. Oft macht sich schon während der Besprechung Unmut breit, wenn die Themen nicht für alle gleichermaßen interessant sind, die Redeanteile unterschiedlich verteilt erscheinen und sich weder an vereinbarte Zeiten noch Abläufe gehalten wird. Am Ende sind dann viele mit dem Ergebnis unzufrieden und nicht selten wird dem Besprechungsleiter die Schuld zugeschoben.
Um wieviel leichter wäre es, wenn es für alle Besprechungen einheitliche Regeln gäbe, die jeder kennt und die Besprechungsleiter*innen jederzeit einfordern können. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Besprechungsthemen und -ziele ist das sicherlich unrealistisch. Doch hilfreich wäre es schon, wenn sich Besprechungsleiter*innen – wie Schiedsrichter – ihrer Rechten und Pflichten klar wären. Sie sich selbst an Regeln halten und diese selbstverständlich konsequent von Teilnehmer*innen einfordern.
Grundregel Nr. 1:
Jedes Meeting wird von einer Person geleitet, die die unbeschränkte Befugnis hat, den Besprechungs-Regeln Geltung zu verschaffen.
Haben Sie schon mal eine Stellen- oder Funktionsbeschreibung für Besprechungsleiter*innen gesehen? Ich noch nicht. Ist eigentlich logisch, da in Führungsfunktionen, wo andere Mitarbeitende fachlich und/oder disziplinarisch geführt werden, meistens die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Besprechungen, Jour Fix, etc. in der Aufgabenbeschreibung für die jeweilige Position enthalten ist.
Doch mit Blick auf die endlosen Stunden, die viele von uns tagein und tagaus in Besprechungen zubringen und dem damit teilweise verbundenen Frust und Ärger, wenn wir das Gefühl haben, dass das eine oder andere Meeting statt uns etwas zu bringen nur dazu geführt hat, dass unsere andere Arbeit liegen geblieben ist, lohnt es sich, nochmal genauer auf die hohe Verantwortung eines Besprechungsleiters zu schauen. Ähnlich wie der Schiedsrichter beim Fußball hat er in einer Besprechung die Verantwortung, die Einhaltung der Regeln sicherzustellen. Diesen „Job“ und die damit verbundenen Rechte und Pflichten kann keiner der anderen Teilnehmenden dem Besprechungsleiter abnehmen.
Als Besprechungsleiter*in müssen Sie sich daher im ersten Schritt Ihrer persönlichen Verantwortung für die Zieldefinition und -erreichung bewusst sein. Ein „Jetzt schaun mer mal“ und „irgendwie wird es funktionieren“ ist nicht nur nicht zielführend, sondern sogar kontraproduktiv.
Nun sind Sie entgegen dem Fußball-Schiedsrichter nicht einfach Moderator*in, sondern haben fachlich selbst etwas beizutragen oder nachzufragen. Darum ist es so wichtig, sich dieser Doppelrolle bewusst zu werden. Sie sitzen in einer Besprechung nicht nur, um über ein Projekt zu sprechen oder um informiert zu werden, sondern eine ebenso zentrale Aufgabe ist die Besprechungsführung. Damit stehen Sie im Dienste aller Teilnehmenden die gesamte Zeit im Rampenlicht.
Sich nur Besprechungsleiter*in zu nennen, aber der Rolle im Meeting nicht vollständig gerecht zu werden, wäre wie ein Schiedsrichter, der zwar auf dem Platz steht, aber nicht eingreift.
Als Besprechungsleiter*in entscheiden Sie z. B. über Start und Ende des Meetings sowie einzelner Redebeiträge. Sie sichern den zeitlichen und organisatorischen Ablauf genauso wie die Einhaltung der vereinbarten Gesprächsregeln. In Ihrer Macht liegt es, sicherzustellen, dass das Ergebnis in der vereinbarten Zeit erreicht wird. Dazu sammeln Sie in jedem Meeting neue Erfahrungen und werden immer besser. Jetzt kommt es auf Sie an, alles konsequent zu nutzen!
Grundregel Nr. 2:
Besprechungsleiter*in definiert allgemeine Rahmenbedingungen und Regeln für das Meeting
Leiten Sie gerne Besprechungen und fühlen sich in dieser Funktion wohl? Gehen die Teilnehmenden nach Ihren Besprechungen zufrieden und voller Tatendrang wieder an ihre Arbeit? – Wunderbar. Denn das sind aus meiner Erfahrung die besten Anzeichen, dass Sie Besprechungen durchführen, die für alle Beteiligten Nutzenbringer und Mehrwertproduzent statt Zeit- und Krafträuber sind.
Als Besprechungsleiter*in definieren Sie im Vorfeld die konkreten Ziele und Inhalte für die jeweilige Besprechung.
In diesem Zusammenhang überlegen Sie idealerweise, woran Sie im Nachgang erkennen können, dass dieses Meeting ein Erfolg war und die gesteckten Ziele erreicht wurden.
Sie entscheiden in Abhängigkeit vom Thema und vom Ziel, welche Personen an der Besprechung sinnvollweise teilnehmen sollten, weil sie etwas dazu beitragen können.
„Weniger statt mehr“ ist auch hier die Devise. Stellen Sie sich nur einmal vor, man hätte 1870 nicht die Spieleranzahl auf elf reduziert und heute könnte jede Mannschaft so viele Spieler mitbringen, wie sie hat. Das Spiel würde dadurch nicht interessanter werden, sondern es würden viel mehr Spieler auf dem Platz stehen und zuschauen, weil sie keinen Ballkontakt haben oder gerade nicht in den Angriff auf das gegnerische Tor einbezogen sind. Außerdem ginge jegliche Übersicht flöten!
Deshalb gilt bei Meetings, unbeteiligte „Zuschauer*innen“ bringen keinen Mehrwert“. Entscheiden Sie daher bitte mit Augenmaß und Sachverstand, wer Muss-Teilnehmer*in für das gesamte Meeting ist und zu welchen Tagesordnungspunkten Sie punktuell eine/n andere/n Teilnehmer*in brauchen. So können Sie den Ablaufplan viel sinnvoller gestalten.
Berücksichtigen Sie dabei bitte unbedingt, welche Teilnehmerzahl noch die Arbeitsfähigkeit erlaubt. Oft gibt es beispielsweise regelmäßig wiederkehrende Abteilungsmeetings, sodass in dieser Zeit das Alltagsgeschäft nicht zu 100 Prozent gewährleistet ist. Oder es gibt viel zu viele unergiebige regelmäßige Besprechungen, weil man sie einmal eingeführt hat.
Grundregel Nr. 3:
Besprechungsleiter*in schafft die Voraussetzungen für die Durchführung des Meetings
Im Vorfeld von Meetings denken wir oft daran, den Raum zu reservieren, die technische Ausstattung sicherzustellen, ggf. für Bewirtung zu sorgen und allen den Termin mitzuteilen.
Viel zu wenig Gedanken machen wir uns leider darüber, was die Teilnehmer*innen bereits im Vorfeld zum Ziel und Inhalt der Meetings alles wissen sollten, um sich konkret und zielgerichtet darauf vorbereiten zu können.
Sie werden im Fußball nie erleben, dass die Spieler einfach mal kommen und spontan irgendwas zusammenspielen. Im Vorfeld wird genau abgestimmt: Was wollen wir überhaupt erreichen? Es werden Spiele ausgewertet, es wird das Umfeld erörtert (Mit wem haben wir es zu tun? Unter welchen Bedingungen werden wir spielen? Welche Stärken, Strategien und Schwächen gibt es – bei der gegnerischen Mannschaft und bei uns?) Bestimmte Standardsituationen werden gezielt trainiert, alternative Spielzüge ausprobiert und eingeübt.
Teilnehmer*innen in Meetings hingegen kommen oftmals uninformiert und ganz und gar nicht vorbereitet. Dieser Überraschungseffekt hat Konsequenzen:
- Besprechungen dauern viel länger, als sie dauern müssten, weil Informationen fehlen, spekuliert und diskutiert wird, anstatt Fakten parat zu haben.
- Ergebnisse oder Zusagen müssen vertagt werden, weil Fragen überraschend kommen oder relevante Schritte beziehungsweise Termine, die zuvor erledigt werden müssen, ausstehen.
- Es kommt zu Frust und atmosphärischen Störungen, denn in jedem Meeting sitzen immer ein paar Menschen, für die es selbstverständlich ist, sich gut vorzubereiten und die sich bei unzureichender Vorabinformation sehr viel mehr Arbeit machen, weil unklar ist, was genau gebraucht wird. Die sind dann doppelt „die Gelackmeierten (Blöden)“, wenn wegen unvorbereiteter Kollegen z. B. erneut keine Entscheidungen getroffen werden können.
Je konkreter Ihre Vorabinformationen als Besprechungsleiter*in sind, desto gezielter läuft die Vorbereitung. Dadurch werden die Meetings nicht nur effizienter, sondern es macht von vornherein allen Beteiligten klar: Einfach so reinhocken und spontan was sagen, is nich!
Grundregel Nr. 4:
Besprechungsleiter*in sichert die Einhaltung der Regeln während des Meetings
Regeln nur zu kommunizieren und dann nicht einzufordern, macht in einer Besprechung genauso wenig Sinn wie auf dem Fußballplatz. Übersehene bzw. tolerierte Regelverstöße können zudem weitere Regelbrüche nach sich ziehen. Die Einhaltung von allen Beteiligten wieder einzufordern, fällt dann erfahrungsgemäß viel schwerer, wenn man sie beim ersten Mal ohne Konsequenzen durchgehen lassen hat. Je eher Sie Grenzen ziehen, umso leichter fällt es allen auf das Regeleinhalten zu achten.
Folgende vier Regeln haben sich bewährt:
Angekündigte Start- und Ende-Zeit unbedingt einhalten
Pünktlich anzufangen statt auf Nachzügler*innen zu warten ist essenziell, denn niemand hat Zeit für Leerläufe. Zudem ist es eine Form der Wertschätzung für die Teilnehmer*innen, die rechtzeitig gekommen sind. Planen Sie realistische Zeiten für die einzelnen Tagesordnungspunkte ein. Geben Sie insgesamt etwas Reservezeit dazu, die Sie aber wenn möglich nicht in Anspruch nehmen. So gibt es eher die Chance, dass jeder wieder zur geplanten Zeit seine nächsten Aufgaben beginnen kann und vielleicht sogar noch etwas zusätzliche Zeit geschenkt bekommt, wenn das Meeting eher zu Ende ist.
Regeln vereinbaren und Verstöße sofort ansprechen
Wie heißt es so schön: Steter Tropfen höhlt den Stein. Vereinbaren Sie im ersten Meeting die Regeln und werden Sie nicht müde, diese auch bei den folgenden Meetings zu kommunizieren. Dabei geht es nicht nur um solche, wie z. B. Zuhören und Ausreden lassen oder wertschätzender Umgang. Gerade in der digitalen Zeit, wo jeder immer und überall erreichbar ist (bzw. sein will). In vielen Besprechungen ist es gang und gäbe geworden, dass einfach mal nebenbei E-Mails beantwortet oder die neusten WhatsApp-Nachrichten gelesen werden. Multitasking hin oder her – Tatsache ist, dass das bei vielen dazu führt, dass sie nur mit halbem Ohr zuhören bzw. nicht hundertprozentig bei der Sache sind. Die Folge: Missverständnisse, unnötige/doppelte (Rück-)Fragen und Wiederholungsbedarf. Als Besprechungsleiter*in müssen Sie bei Regelverstößen sofort eingreifen, auch wenn Sie das nicht wie im Fußball mit dem Ziehen einer gelben oder roten Karte bestätigen. So schieben Sie Nachahmern einen Riegel vor und sichern, dass Sie den geplanten Ablauf und die Zeiten einhalten.
Allen Teilnehmer*innen die Möglichkeit geben, sich zu äußern
In der Mehrzahl der Fälle sind Meetings eher dialogisch als monologisch gestaltet und es ist Absicht, dass jeder Teilnehmende die Chance hat, sich zu den Themen zu äußern. Damit das eintritt, haben Sie Ihren Ablauf entsprechend geplant und die Redebeiträge der einzelnen Personen vielleicht sogar bewusst zeitlich begrenzt. Doch unsere Meeting-Teilnehmer*innen sind alle verschieden. Der eine ist sehr extrovertiert und nutzt das Plenum für eine Präsentation in eigener Sache und andere sind froh, wenn sie nicht direkt angesprochen werden, weil sie die erwarteten Ziele noch nicht erreicht haben oder es ihnen vielleicht schwerfällt, vor einer größeren Gruppe zu präsentieren. Geben Sie Vielrednern und Selbstdarstellern keinen Raum! Wird der vereinbarte zeitliche Rahmen eines Redebeitrages überzogen, dann schreiten Sie schnellstmöglich ein. Genauso wichtig ist es, die Stillen die Möglichkeit erhalten, sich zu äußern
Alles bewusst vertagen, was nicht zur Erreichung des Meeting-Ziels beiträgt
In Besprechungen passiert es nicht selten, dass Diskussionen aus dem Ruder laufen oder spontan alte/neue Themen hervorgeholt werden. Lässt man sich als Besprechungsleiter*in darauf ein, kann das schnell dazu führen, dass das eigentliche Thema der Besprechung in den Hintergrund rutscht und das angestrebte Ziel dann nicht mehr erreicht wird. Ganz zu schweigen von der zeitlichen Ausdehnung des Meetings, wenn man trotz ausufernder Diskussionen alle Tagesordnungspunkte durchbringen will. In solchen Fällen lohnt es sich, frühzeitig einzugreifen. Nur darauf hinzuweisen, dass das nicht das Thema der aktuellen Besprechung ist, reicht meistens nicht aus. Insbesondere, wenn es aus Sicht der meisten Beteiligten auch noch interessant oder wichtig ist. In diesem Fall hilft die Arbeit mit einem Themenspeicher, in dem man sichtbar für alle z. B. in einer Rubrik im Besprechungsprotokoll, am Flipchart oder Whiteboard für alle sichtbar das im aktuellen Meeting nicht weiter zu diskutierende Thema notiert und so für einen anderen Zeitpunkt einplanen kann.
Grundregel Nr. 5:
Besprechungsleiter*in sorgt für die Nachbereitung des Meetings
So wie im Fußball der Schiedsrichter einen Bericht über das Spiel im Nachgang schreiben und an die jeweils höhere Instanz abgeben muss, sollten Teilnehmer*innen vom Besprechungsleiter kurz nach dem Meeting ein Ergebnisprotokoll erhalten. Eigentlich selbstverständlich, oder?
Doch in der Praxis machen wir uns das Leben oftmals unnötig schwer. Besprechungsprotokolle geben manchmal eine personenbezogene, wortwörtliche Mitschrift des Gesagten wieder, die nur in ganz wenigen Fällen erforderlich/sinnvoll ist. Lange Protokolle sind meistens sehr unübersichtlich und damit nicht besonders lesefreundlich (sofern überhaupt jemand in das Protokoll noch mal reinschaut). Zudem sorgen umfassende Protokolle für einen sehr hohen Erstellungs-, Korrektur- und Leseaufwand.
Viel besser: Ein knackiges Ergebnisprotokoll mit klaren Aussagen, Terminen und Verantwortlichkeiten. Damit schaffen Sie gleichzeitig eine exzellente Grundlage, um im nächsten Meeting den Sachstand zu erfragen und gegebenenfalls die nächsten Schritte zu vereinbaren. So werden Themen vorangebracht!
Tipp: Sichtbares Mitschreiben der wichtigsten Punkte und Entscheidungen während des Meetings.
Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Das Protokoll ist nach dem Meeting sofort fertig und kann verschickt werden. Aufwendiges Nacharbeiten erübrigt sich.
Aufgaben für anwesende Teilnehmer*innen können von den genannten Personen gleich quergelesen und gegebenenfalls berichtigt werden. So gibt es später keine aufwendigen Korrekturrunden und Diskussionen über notierte Aufgaben, Verantwortlichkeiten oder Termine.
Übrigens: Es muss nicht immer die gleiche Person im Meeting das Protokoll schreiben. Das kann reihum erfolgen. Auch kann die neue Protokollvorlage auf der Basis des letzten Meetings bereits vorbereitet werden. So geht das Mitprotokollieren in der nächsten Besprechung noch schneller.