Alles Konflikte, oder was?

Leider geben wir uns viel zu wenig Mühe zwischen einem Verständigungsproblem, abweichenden Meinungen sowie unterschiedlichen Zielen und Interessen zu unterscheiden. Oftmals werfen wir alles in einen Topf. Raus kommen Konflikte, Konflikte und nochmals Konflikte, wohin das Auge schaut. Schade, denn meistens sind wir von einem Konflikt sogar noch meilenweit entfernt. Doch wenn wir nicht frühzeitig adäquat reagieren, dann kann – nicht muss – aus einer Banalität früher oder später ein Konflikt entstehen.

Wie können wir Missverständnisse, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte auseinanderhalten?

Was ist ein Missverständnis?

Im Alltag haben wir täglich sehr häufig mit Missverständnissen zu tun. Wir verstehen einander nicht richtig oder interpretieren falsch. Kein Wunder, dass sich gerade im Berufsleben so oft Knatsch entwickelt!

Es gibt drei Arten:

  • Das akustische Missverständnis. Der Klassiker unter den Verständigungsproblemen hängt an Lautstärke (zu leise, zu laut), an Klarheit (zu schnell, zu nuschelig …) oder kann an Beeinträchtigungen von außen liegen: Unterbrechungen oder sonstige Störgeräusche. Auch die Gesprächspartner sind nicht selten Schuld – Sie ertappen sich doch auch hin und wieder dabei, nicht richtig zuzuhören. An einem Punkt schon weiterzudenken oder mit den Gedanken komplett woanders zu sein.
  • Das inhaltliche Missverständnis. Darüber könnte ich jetzt ein Buch schreiben, doch es reicht völlig, wenn ich ein paar Beispiele anreiße: Gesprächspartner haben unterschiedliche Vorkenntnisse, ein anderes Fachvokabular, jemand drückt sich nicht eindeutig genug aus – Inhalte sind auch oft interpretierbar. Dann kommt es zum „falsch verstanden“. Und oft genug, gerade auch bei E-Mail-Korrespondenz, merkt man lange nicht, wenn man von unterschiedlichen Dingen spricht.
  • Die Annahme/Interpretation. Schließlich gilt das gute alte „Wo Menschen sind, da menschelst“. Wir haben unsere Erwartungen, wie man sich verhält, Aufgaben erledigt – und wie man das nicht tut. So gehen wir oft stillschweigend von bestimmten Dingen aus. Und weil das noch nicht schwierig genug ist, spielen auch noch persönliche Themen eine Rolle: Da werden Tonfälle gedeutet, Körpersprache auf bestimmte Weise aufgefasst oder man unterstellt dem anderen ein bestimmtes Motiv.

Für Missverständnisse gilt: Es ist gleichgültig, was jemand sagt. Vielmehr ist entscheidend, wie es beim Adressaten ankommt.

Was ist eine Meinungsverschiedenheit?

Meinungsverschiedenheiten sind zwar etwas ganz Normales, doch trotzdem führen sie immer wieder zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, weil jeder auf seiner MEINung besteht und erwartet, dass der andere sie übernimmt.

Anlässe für Meinungsverschiedenheiten sind:

  • Unterschiedliche Auffassungen. Jede Medaille hat mehrere Seiten. So ist das auch, wenn verschiedene Personen sich mit dem gleichen Thema beschäftigen. Jeder schaut durch seine Brille darauf und sieht etwas anderes. Beeinflusst wird das zusätzlich auch noch durch sein Interesse an oder seine persönliche Betroffenheit bei dem betrachteten Thema.
  • Gegensätzliche Beurteilung/Einschätzung. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Entwicklungen, Erlebnisse und Erfahrungen, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens gemacht hat, wird er – schon fast zwangsläufig – Dinge anders beurteilen und Situationen anders einschätzen als ein Anderer. So prallen unterschiedliche Meinungen von „Da passiert überhaupt nichts!“ bis „Das wird uns Alles um die Ohren fliegen!“ aufeinander.

Für Meinungsverschiedenheiten gilt: Jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung und unterschiedliche Meinungen können nebeneinander bestehen.

Doch was ist ein Konflikt?

Jetzt geht’s ans Eingemachte. Das lateinische Substantiv „conflictus“ steht für Aneinanderschlagen, Zusammenstoßen. Da merkt man schon die Heftigkeit, die dahinter steckt.

Es ist wahnsinnig wichtig, nicht aus jeder Mücke (Missverständnis, Meinungsverschiedenheit) einen Elefanten (Konflikt) zu machen. Denn mit den Elefanten haben Sie ein größeres Kaliber zu managen.

Hinter einem richtigen Konflikt stecken gegensätzliche, ungünstigstenfalls unvereinbare Anliegen, Wünsche, Ziele, Interessen oder Vorstellungen. Das Konfliktpotential erhöht sich, wenn dadurch bei den Beteiligten außerdem Handlungsmöglichkeiten beeinträchtigt werden.

Wenn wir in die Praxis schauen, dann gibt es viele verschiedene Arten von Konflikten. Gerade in Unternehmen treten die folgenden besonders häufig auf:

  • Strukturelle Konflikte werden durch Defizite in der Aufbau- und Ablauforganisation verursacht, etwa durch Mehrfachunterstellungen („Diener zweier Herrn“) oder unklare Schnittstellen zwischen Bereichen (überlappende Kompetenzen und Verantwortungsbereiche). Weitere Auslöser sind unklare oder unbekannte Funktions- bzw. Stellenbeschreibungen sowie unverständliche und in sich widersprüchliche organisatorische Regeln, so dass am Ende des Tages die Mitarbeiter gar nicht mehr wissen, wer ihnen was zu sagen hat bzw. was sie zu tun oder zu unterlassen haben.
  • Ziel- und Richtungskonflikte. Bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom, doch wenn nicht klar ist, ob es nach Rom, Paris oder Berlin gehen soll, kann jeder Weg falsch sein. Diese Art von Konflikten entsteht in Unternehmen, wenn Absprachen fehlen, Ziele unklar sind und miteinander konkurrieren, also Ihre Erreichung erschweren oder gar unmöglich machen. Zum Beispiel: „Kosten sparen und Qualität steigern“; „Auf dem neuesten Stand der Technik bleiben und nicht mehr investieren“. Ständig wechselnde und teilweise unrealistische statt ambitionierte (Ziel-) Vorgaben irritieren. Neue Projekte kollidieren mit den steigenden Erfordernissen im Alltagsgeschäft. und und und
  • Wahrnehmungs- und Beurteilungskonflikte. Das ist erst einmal die klassische Meinungsverschiedenheit: Leute bewerten ein und dieselbe Sache unterschiedlich. Beharrt nun jeder auf seiner Sichtweise und erklärt die Argumente des anderen für unwichtig und nicht nachvollziehbar, kommt es zu endlosen Diskussionen, die schlimmstenfalls soweit gehen, dass man sich gegenseitig schlechte Absichten und Dummheit unterstellt. Meist sind die Hauptursachen unzureichende bzw. fehlerhafte Informationen, ein uneinheitlicher Kenntnisstand über die Sache selbst und vor allem die fehlende Bereitschaft sich in die Lage der anderen Seite hineinzuversetzen.
  • Rollen- und Erwartungskonflikte werden verursacht von unklaren Aufgabenabgrenzungen, unterschiedlichen Rollenerwartungen (Rollenunsicherheit) beziehungsweise der Unfähigkeit, sich in verschiedene Rollen hineinzubegeben. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Fachexperte eine Führungsrolle übernehmen soll, sich aber tatsächlich hinter seinen Fachaufgaben verbirgt, anstatt seine Führungsrolle wahrzunehmen. Solche Konflikte entstehen auch, wenn ehemalige Kollegen einen nicht in seiner neuen Vorgesetztenrolle anerkennen.
  • Besitz- und Verteilungskonflikte. Jeder hat nur eigene Interessen im Blick, etwa bei Verteilung von Prämienanteilen, Räumlichkeiten etc. Bei eingeschränkter Verfügbarkeit von Mitteln und Ressourcen (z.B. Budget, Personal, Position) kann es zum Kampf zwischen Parteien kommen, da es jeder haben will. Gerade in Zeiten begrenzter Budgets für Investitionen wird jeder Bereich zuerst an sich selbst denken.
    Den meisten Streit in den Büros gibt es aber um das Gefühl, dass Aufgaben ungleich verteilt sind. Mehrarbeit wird gefühlt immer denen aufgebürdet, die eh schon am meisten auf ihrem Schreibtisch haben, während die anderen eine ruhige Kugel zu schieben scheinen.
    Besonders zum Tragen kommen derartige Konflikte, wenn in einem Unternehmen viele Projekte bereichsübergreifend initiiert werden und der Linienverantwortliche mit dem Projektleiter um die Zeitressourcen „seiner“ besten Mitarbeiter mit allen Mitteln kämpft.
  • Beziehungs- und Verhaltenskonflikte. Mit unseren Kollegen sind wir intensiver und länger unterhalb der Woche zusammen, als mit unseren Partnern und Freunden. Ein gemeinsames Ziel schweißt schon alle zusammen, möchte man meinen. Doch genauso kann es auch Knatsch geben, wenn die „Chemie“ nicht (mehr) stimmt. Das kann viele Ursachen haben: Sie reichen von unterschiedlichen Werten und Vorstellungen, über unterschiedliche Gewohnheiten, zum Beispiel im Hinblick auf Ordnung bis hin zu Verhalten, das die eine Partei als übergriffig und anmaßend empfindet. Auch Neid, Konkurrenz, Verlustängste sind manchmal Grund, dem eigenen Ärger Luft zu machen.

Konflikte gehören zu unserem Arbeitsleben. Wichtig ist, dass man sie rechtzeitig erkennt und handelt, damit sie nicht eskalieren. Lassen Sie unausgesprochene Konflikte auch niemals vor sich hinkokeln, denn so ein Schwelbrand richtet oft irreparablen Schaden an.

Etablieren Sie die Unterschiede!

Wenn alle in Ihrem Team erkennen, dass Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten nicht gleich ein Konflikt sind, wird die Lage sofort entspannter. Denn dann lässt sich das Miteinander gleich sachlicher angehen.

Auch das Hintergrund-Wissen, woher Konflikte meist rühren, ist äußerst wertvoll. Ich hoffe, Sie gehen die verschiedenen Konflikt-Arten mit Ihrem Team durch. Denn jeder Konflikt raubt uns Kraft, die wir brauchen, um uns auf die wichtigen Dinge im (Berufs-)Leben zu konzentrieren. Vor allem stört er die Zusammenarbeit.